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23. Januar 2020

heute ein König, morgen ein Kunde

I wait, I wait, I wait

Neuerdings muss man sich, aus der Lautsprecheranlage in der Pendelbahn, Sätze anhören, die von unheilvollem Inhalt sind. "Sehr geehrte Kunden, leider werden wir in Dagmarsellen nicht wie gewohnt auf Gleis fünf einfahren, sondern ausnahmsweise auf Gleis vier am selben Bahnsteig".

Die Ansagerin mit der sympathischen Ansagerinnenstimme sagt tatsächlich "Sehr geehrte Kunden". Warum nicht gleich alle Wohlfühlregister auf einmal ziehen und Ansagen mit "Liebe Gäste" beginnen?
Klar, wir, die wir im Zug eingepfercht sind, in unsere Büros fahren und besagte Ansage hören (müssen), sind wohl, im Sinne des grössten gemeinsamen Nenners, Kunden der Bahn. In Tat und Wahrheit aber, bleiben wir Passagiere.

Was der Unterschied sein soll zwischen Kunden und Passagiere, fragst du? Ein grosser, sage ich.

Kunde kann letztlich jeder. Ein Passagier aber ist zertifizierter Leidprüfungsabsolvent. Wenn du zum Beispiel mit den Resten deiner Familie auf der Flucht vor dem IS in Bagdad ankommst und auf den Zug in die weissrussische Freiheit umsteigen willst, der bereits auf Gleis 47 bereitsteht und für den du die letzten Tickets bereits vor Monaten ergattert hast, dann weisst du, du bist ein Passagier.
Denn die sympathische Ansagerinnenstimme, die du beim Ausstieg aus der Pendelbahn, die auf dem Gleis eins eingefahren ist und im Sektor A zum stehen kam, hörst, sagt: "Der Zug nach Minsk wartet heute ausnahmsweise auf Gleis 47 im Sektor Z. Der Zug wartet noch kurz, bitte rasch umsteigen.

Als Kunde der Bahn, mit zum Glück leichtem Fluchtgepäck, ein leichtes. Du erreichst deinen Zug, unter Aufbringung der letzten Reserven deines ausgezehrten Körpers spielend. Für die Reste deiner Familie sieht es ein wenig anders aus, beim Umstieg schrumpfen sie dramatisch zusammen. Völlig aus der Puste thematisierst du die widrigen Umstände mit dem weissrussischen Zugbegleiter. Der gibt sich verständnisvoll und gibt dir sogar für die Zukunft den gut gemeinten Rat, halt beim nächsten Mal, um auf Nummer sicherzugehen, nach Bagdad den Zug früher zu nehmen.

Ich denke spätestens dann bist du mit mir einer Meinung, wenn ich sage, die Bahn kann sich ihren "Kunden" quer in den metaphorischen Enddarm stecken. Und zwar mit den besten Empfehlungen vom Passagiervieh.
 
Nun zugegeben, die Geschichte ist frei erfunden und in dieser Form realitätsfremd, denn wer in Bagdad eine funktionierende Ansage auf dem Bahnsteig erwartet, muss doch wohl mit dem Hammer gekämmt sein.

Ich frage: Wie lange müssen wir noch warten, bis auch beim Arzt die Kundendiktatur Einzug hält?

Du hast auf der Innenseite eines x-beliebigen Teils deines Luxuskörpers einen fliegenschissgrossen Fleck entdeckt. Die Chancen stehen gut, dass es sich, bedingt dadurch, dass du beim Waschen die meisten Innenseiten deiner Körperteile eher stiefmütterlich behandelst, um Dreck handelt. Die Chancen sind ebenso intakt, dass du die befallene Innenseite noch gar nie so genau betrachtet hattest, der Fleck bereits seit Anbeginn der Zeit dort ist und auf dem Betriebsstundenzähler des Flecks dieselbe Zahl steht wir auf dem grossen Hauptbetriebstundenzähler.
Egal, ein Besuch beim Hautarzt kann nicht schaden.

Als du von der Praxishilfe gebeten wirst, im Kundenbereich Platz zu nehmen, probierst du noch eine letzte halbherzige Richtigstellung. Du seiest nicht als Kunde hier, sondern habest dich, mit der Absicht, einer medizinischen Fachperson eine Einschätzung abzutrotzen, als Patient hier eingefunden.
Die Lady erläutert dir das neue Konzept. Auf der Förderung des guten Feelings des Kunden, stehe bei ihnen das Hauptaugenmerk. Der Kunde soll sich wieder wie ein König fühlen können. Als Patient fühle man sich Apriori krank, oder noch schlimmer, man komme sich vor wie ein Passagier auf einem Totenschiff, welches gerade auf die Abwärtsspirale einbiegt. Und sie sagte auch, Dr Frank würde sich sogleich um mich kümmern.

Im Kundenbereich warten bereits eine mit lärmenden Knirpsen umsessene Mutter, sowie zwei Krätzekunden von mittlerem Alter. Einer der Zwerge lärmt nicht. Seine Haut ist von gespenstischer Durchsichtigkeit und mit vielen weiss glänzenden Punkten übersäht. Instinktiv setzst du dich auf den Stuhl, der am weitesten von allen Anwesenden weg ist und beginnst zu warten. Darin bist du gut, das kannst du, ein Profi sozusagen.

Nach einer Ewigkeit wird die Frau mit den Knirpsen von der Praxishilfe aufgerufen. Durch die geschlossenen Türe des Kundenbereichs hört man laute, aufgeregte Stimmen wirr durcheinander sprechen. Plötzlich wird es allerdings wieder verhältnismässig ruhig, bis nach einer weiteren gefühlten  Ewigkeit eine Figur in Atemschutzanzug den Raum betritt, um Euch zu sagen, dass ihr unter Quarantäne steht. Mit einem Zerstäuber, den die vermummte Person am Rücken trägt, zerstäubt sie einen gelben Staub im Raum, bis man seine Hand nicht mehr vor Augen sieht.

Nach einer Woche zusammen mit den beiden Krätzekunden im Quarrantänezelt, liest du in der Zeitung, welche euch täglich mit dem Essen hineingeworfen wird, dass in der Stadt in der du wohnst, ein fünfjähriges Kind an einer unerforschten Hautkrankheit gestorben ist und dass sich die Bevölkerung keine Sorgen um ihre eigene Gesundheit machen muss - die Spezialisten die Lage unter Kontrolle hätten.

Auch wenn deine Lage aussichtslos scheint, wenigstens wirst du nun wie gehabt, als Patient das Zeitliche segnen, nicht als Kunde einer bescheuerten Marketingstrategie.

Den Preis, den wir bezahlen ist hoch, aber zum Schluss ist die Welt wieder in Ordnung.

D J B r u t a l o @ S ç h n u l l i b l u b b e r.ç h

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